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Geschäftsmodellinnovation durch Kooperation.

Die KIW-Experten Dr. Geraldine Schmitz und Tarek Annan publizierten einen Fachbeitrag über Chancen und Herausforderungen kooperativer Geschäftsmodelle im „Handbuch Digitaler Mittelstand“. Lesen Sie hier den im April 2020 veröffentlichten Beitrag.

Die Entwicklung im deutschen Software-Markt ist gekennzeichnet durch eine stetig steigende Wettbewerbsintensität und tief greifende Strukturveränderungen. Für Software-Unternehmen stellt sich in dieser Situation die Frage nach geeigneten strategischen Verhaltensweisen, um auf Dauer im Wettbewerb bestehen zu können. Aktuell bieten viele IT-Unternehmen Nischenlösungen an, welche spezielle Geschäftsvorfälle bedienen. Die Anforderungen an Software steigen jedoch gleichzeitig. Um sich dieser diametralen Entwicklung des Marktes anzupassen, gewinnt der Einsatz von Kooperationsstrategien erheblich an Bedeutung. Konkret heißt das, dass IT-Unternehmen ihre Softwarelösungen miteinander vernetzen, um den gestiegenen Bedürfnissen des Marktes nachzukommen. Der Weg hin zu einer derartigen Geschäftsmodellinnovation ist für ein mittelständisches Softwareunternehmen nicht ganz unbeschwerlich.

Es müssen passende Partner gefunden, neue Geschäftsmodelle entwickelt, rechtliche Rahmenbedingungen geklärt, gemeinsame IT-Schnittstellenstandards für ein Ökosystem entwickelt werden, neue Technologien abgewägt und neben dem Kerngeschäft das strategische Thema der Unternehmenskooperation auch betreut werden.

Wissenschaftliche Grundlagen zu wirtschaftlichen Kooperationen

Die vielen Facetten der kooperativen Geschäftsmodelle werden in der Fachliteratur unter dem Begriff „Coopetition“ gesammelt. Coopetition setzt sich hier aus Cooperation (Kooperation) und Competition (Wettbewerb) zusammen und bezeichnet daher einen Prozess, in dem zwei Unternehmen, die miteinander im Wettbewerb stehen, kooperieren, um Wettbewerbsvorteile gegenüber Dritten zu generieren.(1) Wettbewerb und Kooperation müssen sich nicht gegenseitig ausschließen(2), sondern sind vielmehr eine logische Konsequenz aus den sich stetig verändernden Bedingungen in den Wertschöpfungsketten.(3)

Fast jedes kooperative Geschäftsmodell ist im Grunde eine Coopetition, da die meisten Akteure zumindest miteinander in Konkurrenz stehen könnten. Der Begriff Coopetition eignet sich zwar hervorragend zur wissenschaftlichen Analyse des Sachverhalts, im praktischen Umgang macht es aber mehr Sinn, von Kooperationen zu sprechen, da der Schwerpunkt einer solchen Zusammenarbeit vornehmlich auf dem kooperativen Element liegt. Durch Globalisierung und Digitalisierung haben sich die Anforderungen der Märkte verändert. Feste Branchen werden von Ecosystemen bzw. durch branchenübergreifende Coopetition abgelöst. Wertschöpfungsketten werden immer komplexer(4), sodass Produkte, Daten und Kompetenzen neu definiert und neu integriert werden müssen. Dies ist oft nur durch Kooperationen (auch mit Konkurrenten) möglich. Dabei ist es besonders wichtig, dass Kooperationen effizient zu einem innovativen Geschäftsmodell führen, sodass die teilnehmenden Unternehmen zu Innovatoren werden und somit die Wertschöpfung „lenken“ können.

So werden neue Märkte geschaffen, Innovationen vorangetrieben und nachhaltige Win-win-Situationen geschaffen. Ein Schlüsselfaktor dabei ist der innovative Einsatz von Daten, was einer der Gründe dafür ist, dass digitale Geschäftsmodelle sich derzeit durch einen hohen Absatz auszeichnen.(5)

Da ein Großteil der Kooperationen bzw. Coopetitions – insbesondere wenn die Digitalisierung dabei eine Rolle spielt – branchenübergreifend sind, sind Branchenstrukturanalysen nicht mehr hilfreich. Vielmehr bedarf es einer Analyse des Wertenetzwerks(6). Dazu eignet sich beispielsweise das PARTS-Modell aus der Spieltheorie, da es sich hervorragend in Fragen im Sinne eines Handlungsleitfadens umformulieren lässt. PARTS setzt sich zusammen aus Player, Added Value, Rules, Tactics und Scope.(7)

Um das Netzwerk, in welchem sich das kooperationswillige Unternehmen befindet, zu analysieren, lassen sich aus dem PARTS-Modell folgende Fragen ableiten:

  • Player: Welche Player profitieren von einer Kooperation? Welche Player generieren in einer Kooperation eine Win-win-Situation und welche könnten eine Win-lose-Situation hervorrufen? Welche Player verlieren bei einer Kooperation?
  • Added Value: Welche Player bringen den meisten Mehrwert? Welchen Mehrwert bringt eine Kooperation mit sich? Wie lässt sich der Mehrwert konstant halten oder gar erhöhen?
  • Rules: Was sind die Regeln der Kooperation? Welche Regeln sind sinnvoll für die Kooperation, welche sind es nicht? Lassen sich Regeln verändern?
  • Tactics: Wie wird das Kooperationskonzept von anderen Playern wahrgenommen? Sind diese Player flexibel in ihrer Wahrnehmung? Wie lässt sich die Wahrnehmung verändern?
  • Scope: In welchem Bezugsrahmen bewegt sich die Kooperation? Welche Grenzen gibt es und unter welchen Bedingungen lassen sich Grenzen ausweiten? Welche Grenzen sollten unbedingt bestehen bleiben?

Kooperationen werden trotz der Vorteile oft als Risiko wahrgenommen: „Coopetition is to create a bigger business pie, while competing to devide it up“.(8) Allerdings ist diese Sichtweise verkürzt: Coopetition bedeutet, aus zwei verschiedenen Perspektiven eine Synergie zu schaffen. Es gibt immer die Wettbewerbs-perspektive und die Kooperationsperspektive. Wie jeder Dualismus, bildet dies aber nicht die Wirklichkeit ab. Denn zwar ist der Begriff Coopetition relativ neuartig, aber das Kooperieren von Unternehmen, um sich gegen größere Wettbewerber durchzusetzen, ist so alt wie die Wirtschaft selbst(9) und weltweit in den unterschiedlichsten Wirtschaftsformen zu finden(10).

Natürlich hat jede Kooperation ein kompetitives Element, denn der gemeinsam geschaffene Mehrwert muss aufgeteilt werden. Aber es zeichnet sich immer mehr ab, dass Lösungen wichtiger werden als Wettbewerb, wenn das Ziel des Wirtschaftens eine zufriedene Kundschaft ist(11).

Das Praxisbeispiel Stellwerk 4 ist ein Verbund von vier unabhängigen Software-Unternehmen, die sich auf technischer und unternehmerischer Ebene miteinander vernetzt haben. Die entstandene Gesamtlösung ermöglicht, einen vollständigen Überblick zu allen notwendigen Abläufen im Facility Management zu gewährleisten, um einen Instandhaltungsvorgang eines Objektes auf einem Industriegelände abzubilden und zu unterstützen. So profitiert vor allem die Kundschaft von Coopetition.

Autoren: Dr. Geraldine Schmitz, Tarek Annan

Den Fachbeitrag können Sie hier herunterladen.

Das 280 Seiten umfassende „Handbuch Digitaler Mittelstand“ können Sie hier herunterladen.

Quellen:
(1) Nalebuff, B.J. Brandenburger, A.M. 1996. Coopetition. New York: Crown Publishing Group.
(2) Ritala, P. et al. 2014. Coopetition-based business models – The case of Amazon.com. In: Industrial Marketing Management. 43(1). S. 236-249.
(3) Bengtsson, M. Kock, S. 2000. „Coopetition“ in Business Networks – to Cooperate and Compete Simultaneously. In: Industrial Marketing Management. 29(1). S. 441-426.
(4) Bruhn, M., Hadwich, K. 2019. Service Coopetition – Dienstleistungen im Spannungsfeld von Wettbewerb und Kooperation. In: Bruhn, Hadwich (Hrsg.). Kooperative Dienstleistungen. Spanungsfelder zwischen Service Cooperation und Service Coopetition. Wiesbaden: Springer Gabler.
(5) Lusch, R.F., Nambisan, S. 2015. Service Innovation – A service-domimant logic perspective. In: MIS Quarterly, 39(1). S. 155-175.
(6) Lusch. 2015. Ebd.
(7) Bruhn. 2019. Ebd.
(8) Nalebuff. 1996. Ebd.
(9) Della Corte, V. 2018. Innovation through Coopetition: Future Directions and New Challenges. In: Journal of Open Innovation. 47(4). S.1-13.
(10) Luo, Y. 2004. Coopetition in International Business. Oxfordshire: Copenhagen Business School Press. S. 201.
(11) Polanyi, K. 2014. The Great Transformation. Politische und ökonomische Ursprünge von Gesellschaften und Wirtschaftssystemen, aus. D. Engl. V. H. Jelinek. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

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