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Green Software und die Ressourceneffizienz recyclebarer IT-Schnittstellen

Im öffentlichen und politischen Diskurs ist der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit und die Notwendigkeit, unsere Systeme hin zu einer klimaverträglicheren Version ihrer selbst zu verändern, unüberhörbar. Fast jeder Teilbereich von Wirtschaft, Industrie und Dienstleistung unterliegt heute dem Druck, nachhaltig zu werden. Der Megatrend der Nachhaltigkeit geht mit einem weiteren Megatrend einher, nämlich der Digitalisierung. Der Begriff GreenTech nimmt hierbei eine Schlüsselrolle ein und verbindet die beiden Trends der Digitalisierung und der Nachhaltigkeit. Er bezeichnet Technologien, die Belastungen für die Umwelt von vornherein zu vermeiden versuchen, sie verringern oder bereits entstandene Schäden beheben. Außerdem hilft der Einsatz von GreenTech Unternehmen dabei, mit knappen und teurer werdenden Rohstoffen effizienter zu wirtschaften.

Im Folgenden wird eine wichtige Komponente von GreenTech betrachtet – Software. Unter dem Begriff Software fasst man im Allgemeinen die immateriellen Teile eines computerbasierten Systems zusammen. Im Gegensatz dazu werden die Geräte und anderen materiellen Komponenten als Hardware bezeichnet. In diesem Artikel soll gezeigt werden, wie bei der Herstellung und immer relevanter werdenden Vernetzung von Software Ressourcen gespart werden können und wie das Mittelstand 4.0–Kompetenzzentrum IT-Wirtschaft seinen Beitrag zu einer nachhaltigeren digitalen Transformation des mittelständisch geprägten deutschen Softwaremarktes leistet.

Um die Nachhaltigkeitsziele der Bundesregierung zu erreichen, haben wir es inzwischen mit einer Reihe von Regelungen und Gesetzen wie dem Stromsteuergesetz, dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz oder Umweltverträglichkeitsprüfungen zu tun. Daneben gibt es eine beträchtliche Anzahl nichtstaatlicher Initiativen sowie Umweltsiegel, durch die umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen als solche gekennzeichnet werden können. Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) beschränkte sich jedoch bisher auf die Nachhaltigkeit der Produktion von Hardware. Wie und wo werden Computer, Prozessoren und Speichermedien produziert oder wie lange ist ihr Lebenszyklus? Auch hierfür gibt es Labels und Zertifizierungen. Dies ist sinnvoll, da für die Produktion von Hardware eine Menge Ressourcen benötigt werden, deren Gewinnung oft mit Umweltschäden und verbesserungswürdigen Arbeitsbedingungen einhergeht. Zur Veranschaulichung des Ausmaßes an Ressourcenverbrauch können beispielsweise die mehr als 7 Milliarden Smartphones dienen, die seit 2007 produziert wurden und deren durchschnittliche Nutzungsdauer in Deutschland im Jahr 2019 bei 2,7 Jahren lag. Für nachhaltige Software war ein solches Nachhaltigkeits-Label bislang nicht verfügbar. Auch wurde über die „Nachhaltigkeit“ der verwendeten Software kaum gesprochen, zumal es wenig einheitliche Definitionen oder allgemein akzeptierte Standards dafür gab.

Warum ist Software im Zusammenhang mit Ressourcenschonung relevant?

Auf den ersten Blick erscheint der Zusammenhang zwischen Software und der Einsparung natürlicher Ressourcen wenig schlüssig – schließlich handelt es sich bei Softwareprodukten um immaterielle Güter. In Wirklichkeit jedoch ist der Gebrauch von Software in der heutigen Zeit für einen erheblichen Teil des welt­weiten Energieverbrauchs mitverantwortlich. Obwohl Software, wie bereits erwähnt, nicht direkt aus Primärrohstoffen wie Kohle oder aus Umweltme­dien wie Wasser besteht, gibt es verschiedene Mecha­nismen, durch die Softwareprodukte diese natürli­chen Ressourcen verbrauchen:

  • Hierzu zählt zum Beispiel der Stromverbrauch sowie die
  • Hardware-Kapazität, die durch Software genutzt wird und somit deren Lebenszyklus beeinflusst.
  • Zusätzlich beeinflusst Software besondere Eigen­schaften von Hardware-Betriebszuständen, wie Energiesparmodi oder die Speicherlast.

Ein weiterer wichtiger Begriff in diesem Zusammen­hang ist die Obsoleszenz von Hardwareprodukten, oder anders gesagt: Wann muss die vorhandene Hardware durch ein neueres, funktionsfähigeres Pro­dukt ausgetauscht werden? Oftmals wird dies durch neue Software erforderlich. Unter anderem durch die Limitation der Hardware-Nutzungsdauer verbraucht Software also indirekt natürliche Ressourcen. Ausgehend davon, dass Software natürliche Ressour­cen in Anspruch nimmt, muss es im Umkehrschluss auch die Möglichkeit geben, durch den bewussten Einsatz bestimmter Software ebendiese Ressourcen zu schonen – indem die „grüne“ Software beispiels­weise den Stromverbrauch der Hardware minimiert oder zumindest weniger beansprucht als eine her­kömmliche Software.

 

Eine Druckersoftware, welche per Werkseinstellung so programmiert ist, dass standardmäßig – wenn nicht ausdrücklich anders gewünscht – monochroma­tisch und doppelseitig gedruckt wird, kann zum Bei­spiel zur Einsparung von Druckressourcen beitragen. Ähnlich lässt sich dies auf größere Dimensionen übertragen.

Was ist Green Software Engineering?

Was also ist das Umweltschutzpotential von Informa­tionssystemen? Können wir das Zeitalter von Green Software Engineering einleiten? Eine Idee davon, was Green Software Engineering sein kann, gibt das GREENSOFT-Modell, welches Naumann et al. (2011, 2015) entwickelt und somit ein konzeptuelles Referenzmodell für grüne und nach­haltige Software geschaffen haben. Es beinhaltet unter anderem die Abdeckung des gesamten Lebens­zyklus einer Software sowie die wiederholte Durch­führung von Energieeffizienzmessungen bereits wäh­rend des Entwicklungsprozesses. Zu den Anforderungen einer grünen und nachhalti­gen Software gehören demnach:

  • Bedarfsgerechte Steuerbarkeit.
  • Unterstützung offener Standards bei Datenforma­ten.
  • Neue Versionen stellen bezüglich Speicherplatz, Rechenleistung und Bandbreite keine höheren Anforderungen, es sei denn, zusätzliche Funktio­nen erfordern dies zwingend.
  • Kernfunktionen bleiben dauerhaft auf älterer Hardware ausführbar.
  • Benutzergerechte Konfigurationsmöglichkeiten für energiesparende Modi.
  • Power Awareness – optimales Management der Hardware in Bezug auf den Energieverbrauch.
  • „Abschaltfreundlichkeit“, Software sollte nicht zum Dauerbetrieb von Hardware animieren.
  • Unterstützung sparsamer Datenformate in Hin­blick auf Bandbreite und Speicherplatz.
  • Flexibilität bezüglich verwendbarer Peripheriege­räte (Beschaffungszwänge minimieren).
  • Unerwünschte Werbung lässt sich abschalten.

Diese Stichpunkte sind erste Ideen für nichtfunktio­nale Anforderungen an grüne Software, die in einer Analyse des Umweltbundesamtes von 2015 genannt werden. Nachdem Öko-Tests, EU-Ecolabel und Zertifizierun­gen für Elektro- und Küchengeräte bereits viele Jahre bekannt sind, präsentierte die Forschergruppe um Prof. Dr. Stefan Naumann Ende 2019 erstmals ihr Umweltsiegel „Blauer Engel für ressourcen- und ener­gieeffiziente Softwareprodukte“ bei einem Kongress des Chaos Computer Club in Leipzig. Das Umwelt­zeichen gibt Verbraucherinnen und Verbrauchern die Möglichkeit, sich bei der Wahl eines (Software-)Pro­dukts für das Klimafreundlichere zu entscheiden; es schafft Aufmerksamkeit für die Rolle von Software im Nachhaltigkeitsbereich und verfolgt das Ziel, die Res­sourceneffizienz in der Informations- und Kommuni­kationstechnik (IKT) zu steigern. Als erster Bereich der IKT wird sich auf Anwendungssoftware, die primär auf Desktop-Systemen läuft, fokussiert. Eine Erweite­rung des Geltungsbereiches auf weitere Architektu­ren, wie bspw. Systemsoftware und mobile Apps, ist zu einem späteren Zeitpunkt angedacht. Software- Hersteller können das Umweltzeichen nun beantra­gen und ihre Software in den folgenden drei Berei­chen prüfen und auszeichnen lassen:

  1. Energieeffizienz
  2. Ressourcenschonung
  3. Transparente Schnittstellen

Die Herstellung transparenter Schnittstellen am Kompetenzzentrum IT-Wirtschaft

Im Folgenden wird auf den Punkt der Transparenten Schnittstellen eingegangen. Es soll aufgezeigt wer­den, inwiefern das Mittelstand 4.0-Kompetenzzent­rum IT-Wirtschaft (KIW) durch seine Arbeit einen Bei­trag zur Herstellung von nachhaltiger Software leistet. Das Kompetenzzentrum IT-Wirtschaft verfolgt als eines seiner Hauptziele die Entwicklung von transpa­renten Schnittstellen (API) zur Interdomänenkommu­nikation zwischen mittelständischen Softwareproduk­ten. Dazu werden die von Softwarenutzern verwendeten Datenformate, die das Softwareprodukt zum Austausch von Daten mit anderen Programmen verwendet, zur Ermöglichung von Interoperabilität dokumentiert. Folgen die Datenformate und Schnitt­stellen offenen Standards, ist eine Vernetzung mit anderen Softwareprodukten durch den Austausch von vorher definierten Fachobjekten problemlos möglich – man könnte dieses Vorgehen auch als „Schnittstellen-Recycling“ bezeichnen. Das Kompe­tenzzentrum IT-Wirtschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, einen solchen Schnittstellen-Standard öffentlich in einem Schnittstellen-Katalog anzubie­ten10 und damit an einer Wiederverwendung von Code, Software und Ressourcen zu arbeiten.

Die KIW-Schnittstellen unterliegen den folgenden Grundsätzen:

  • Datenaustausch-Definitionen auf Basis bestehen­der, offener Standards.
  • Fokus auf dem Interdomain-Datenaustausch und dem „Need-To-Know“ Prinzip.
  • Offenheit für agile Weiterentwicklung und Schär­fung.
  • Möglichst Datenhoheit je Fachobjekt (Basisdaten) in einem System.

Um IT-Mittelständlern die Suche nach geeigneten Kooperationspartnern zu erleichtern, hat das Kompe­tenzzentrum IT-Wirtschaft eine eigene Matching-App entwickelt, mit der sich die Softwareunternehmen frei vernetzen und so auf die gestiegenen Anwenderbedürfnisse reagieren können. Generell ermöglicht der schnelle und unkomplizierte Zusammenschluss von deutschen mittelständischen Softwarelösungen ein für die jeweiligen Aufgaben­bereiche zugeschnittenes IT-System, ohne unnötigen Ballast zu generieren. So entstehen Innovationen „Made in Germany“, welche jenseits von isolierter Basis- oder Anwendungssoftware den Mittelstand in der digitalen Transformation nachhaltig nach vorne bringen.

Zusammenfassend gilt, dass Software unter anderem dann zu einer nachhaltigen Ressource werden kann, wenn sich deren Produzenten auf gemeinsame Stan­dards einigen. Dadurch werden nicht nur Ressourcen eingespart, sondern auch Kreativpotentiale entlang der Wertschöpfung freigesetzt.

Autoren: Tarek Annan, Leonie Maier

Dieser Fachbeitrag wurde im September 2020 im Magazin „Wissenschaft trifft Praxis – Nachhaltigkeit und Digitalisierung – Ausgabe 14“ veröffentlicht. Herausgeber ist Mittelstand Digital.

 

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