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Recht auf Vergessenwerden und Pflichten der Suchmaschinen

Im Juli 2020 hatte der Bundesgerichtshof (BGH) über die Reichweite des Rechts auf Löschung i.S.v. Art. 17 DSGVO, i.e. des „Rechts auf Vergessenwerden“, zu entscheiden. Die ausformulierte Entscheidung wurde dann im Oktober veröffentlicht.

Worum geht es?

Der BGH hat entschieden, dass bei der Prüfung, ob bestimmte Informationen aus den Ergebnissen einer Suchmaschine gelöscht werden müssen, weil sie aus der Sicht der betroffenen Person nicht mehr verarbeitet werden dürfen, eine Abwägung gegenseitiger Interessen stattfinden muss. Es sind demnach nicht nur die Interessen der betroffenen Person, die sie betreffenden Informationen zu löschen, sondern auch die Interessen der Inhalteanbieter, mithin der Webseiten-Anbieter, sowie die Interessen der Suchmaschine selbst zu berücksichtigen. Somit darf nicht pauschal angenommen werden, dass Interessen der betroffenen Person überwiegen würden. Folglich ist nicht jedem Löschungsersuch Folge zu leisten.

Was lag der Entscheidung zugrunde?

Ein ehemaliger Geschäftsführer einer Organisation wollte, dass Google verschiedene Ergebnislinks aus ihren Suchergebnislisten entfernt, die bei Eingabe seines Namens angezeigt wurden. Würde man nämlich diese Ergebnislinks (meistens auf die Webseiten der Presse) anklicken, würde man erfahren, dass er vor ca. 8 Jahren krankgemeldet war, seine Organisation aber in demselben Zeitraum große Defizite aufwies. Die Gerichte, BGH inklusive, haben entschieden, dass sein Begehren unbegründet ist.

Besonders wichtig ist dabei hervorzuheben, dass dort, wo die Datenverarbeitung zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information erforderlich ist (Art. 17 Abs. 3 Buchst. a DSGVO), kein Vorrang der Interessen der betroffenen Personen an Löschung dieser Daten angenommen werden darf.

Der BGH hält fest, dass die Tätigkeit einer Suchmaschine „darin besteht, von Dritten ins Internet gestellte und dort veröffentlichte Informationen zu finden, automatisch zu indexieren, vorübergehend zu speichern und schließlich den Internetnutzern in einer bestimmten Rangfolge zur Verfügung zu stellen“ (BGH), sowie dass das Internet ohne Hilfestellung einer Suchmaschine nicht mehr sinnvoll nutzbar ist. Natürlich übt eine Suchmaschine einen großen Einfluss auf die Meinungsbildung aus; allein schon dadurch, dass personenbezogene Daten durch die Suchmaschine auch dort gefunden werden, wo sie ein Nutzer allein nicht findet. Dennoch ist das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten kein uneingeschränktes Recht, sondern „im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden“ muss (Erwägungsgrund 4 der DSGVO). Hinzu kommt, dass aufgrund der Informationsfreiheit (Art. 11 der Grundrechtecharta) der Zugang der breiten Öffentlichkeit zu den von der Presse bereitgestellten Inhalten sichergestellt werden muss.

Für den Fall dieses Geschäftsführers war außerdem von Bedeutung, dass dieser nicht alle Ergebnislinks entfernen wollte, sondern lediglich solche, die ihn „nachteilig betreffen“. Sein Wunsch alleine, negative Meldungen zu löschen, ist von der DSGVO keineswegs gedeckt.

Der BGH hat sich allerdings nicht nur mit dem ehemaligen Geschäftsführer auseinandergesetzt. Auch die Suchmaschinen nahm das Gericht ins Visier: Diese müssen von nun an ALLE Löschungsersuche betroffener Personen prüfen und abwägen, welche Interessen „schwerer wiegen“. Denn eine umfassende Prüfung, mithin einer Abwägung zwischen (i) schützenswerten Interessen der betroffenen Person einerseits und (ii) dem Interesse der Öffentlichkeit an leichter Auffindbarkeit von Informationen (i.e. von personenbezogenen Daten) andererseits, ist längst Notwendigkeit geworden. Jeder Suchmaschinenbetreiber muss somit – zusätzlich zu den Anbietern von Inhalten – im Rahmen seiner Befugnisse und Möglichkeiten dafür sorgen, dass bei der Nutzung der Suchmaschine ein wirksamer und umfassender Schutz der betroffenen Personen, insbesondere ihres Rechts auf Achtung ihres Privatlebens, tatsächlich durchsetzbar ist.

Text: Olga Kunkel

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