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Strategien zum erfolgreichen Start einer Plattform

Kennen Sie GAFAM, FAANG oder BATX? [1] Plattformen verändern Märkte, Marktmechanismen und Geschäftsmodelle. [2] Die weitreichenden Auswirkungen von Plattformen auf unsere Wirtschaft sind nicht neu. Das wissen wir spätestens seitdem die Tech-Giganten regelmäßig die Wirtschaftsnachrichten dominieren. Akronyme wie GAFAM, FAANG oder BATX stehen für die größten Tech-Firmen weltweit und haben eine Gemeinsamkeit. Sie setzen auf plattformbasierte Geschäftsmodelle.

Doch wie funktionieren Plattformen? Wie haben sie sich im Laufe der Zeit entwickelt? Können erfolgreiche Plattformen auch in Europa entstehen oder gar auf regionaler Ebene funktionieren? Diese und weitere werden in dieser Blogreihe beantwortet. Kurz, prägnant, verständlich. Lesen Sie nun den 3. Teil unserer Serie „Plattformökonomie“ (hier Teil 1 lesen) (hier Teil 2 lesen).

Von den Großen lernen

In Blogbeitrag Teil 2 haben wir Herausforderungen betrachtet, die mit dem Aufbau einer Plattform einhergehen. Ein besonderer Fokus wurde dabei auf das klassische „Henne-Ei“-Problem gelegt. Eine Plattform bedient immer die Angebots- und die Nachfrageseite. Wie wird die Nachfrage aber zeitgleich mit der Angebotsseite aufgebaut? Ein fast unmögliches Unterfangen. Denn nur wenn genügend Erzeuger:innen auf der Plattform sind, ist diese interessant für Verbraucher:innen und umgekehrt. Um dieses Problem zu lösen, setzten sich vor allem acht Strategien durch, die von Geoffrey Parker, Marshall Van Alstyen und Xiaoyue Jiang näher beschrieben wurden und in der Praxis durch viele Erfolgsgeschichten validiert wurden.[3] Im Folgenden werden diese Strategien näher vorgestellt und anschließend wird aufgezeigt, wie auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie regional operierende Betriebe von diesen profitieren können.

Follow-the-Rabbit-Strategie

Das Paradebeispiel für diese Strategie ist wohl Amazon. Allgemein eignet sich das Vorgehen vor allem für Unternehmen, die bereits erfolgreich am Markt unterwegs sind. Der Amazon Marketplace wurde zunächst nur von Amazon direkt bespielt und erst schrittweise für andere Anbieter erweitert. Um das eigene Geschäft resilienter für die Zukunft aufzustellen kann es sinnvoll sein, wie Amazon, auch andere Anbieter in das eigene Geschäft zu integrieren. Vor allem bei Produkten oder Dienstleistungen, die über einen Online-Shop angeboten werden, eignet sich die Follow-the-Rabbit-Strategie. So wird das lineare Geschäftsmodell zu einer Plattform. Eigene Produkte oder Dienstleistungen stehen zwar verstärkt in Konkurrenz zu anderen Angeboten, gleichzeitig können über Gebühren für das Partizipieren an der Plattform weitere Erlöse generiert werden. Die Strategie birgt jedoch Risiken, da die eigenen Produkte höherer Konkurrenz ausgesetzt sind. Zudem ist es kein einfaches Unterfangen Anbieter eines Konkurrenzprodukts auf die eigene Plattform zu bekommen.

Piggyback-Strategie

Ein bestehendes Unternehmen oder eine bestehende Plattform nimmt eine neue Plattform Huckepack. Dieses Bild beschreibt die Piggyback-Strategie. In der Praxis wird das Vorgehen oftmals angewendet, um neue Plattform in einem neuen Markt voranzubringen und Anwender:innen zu gewinnen. Die Huckepack-Strategie hat den Vorteil, dass Nutzer:innen durch die Reichweite des bestehenden Unternehmens oder der bestehenden Plattform den Eindruck erhalten, dass sich bereits zahlreiche andere Teilnehmer:innen auf der Plattform befinden. Ein allseits bekanntes Beispiel ist das Aufstreben des Zahlungsdienstleisters PayPal durch die Integration auf der Handelsplattform Ebay.

Seeding-Strategie

Bei der Seeding-Strategie nimmt die Plattform die Aufgabe der Wertschöpfung selbst in die Hand, indem sie als erster Produzent auftritt. Veranschaulicht wird diese Strategie beispielweise durch Googles Strategie das eigene Smartphone-Betriebssystem Android gegenüber Apples iOS Smartphone-Betriebssystem konkurrenzfähig zu machen. Google setzte Preise in Höhe von 5 Millionen US-Dollar für Entwickler an um die besten Apps in zehn Kategorien entwickelten zu lassen. Die Gewinner wurden zu Marktführern und zogen eine große Zahl von Android-Kunden an.

Marquee-Strategie

Ein bekanntes Model veröffentlicht, dass er seinen Urlaub über ein ganz bestimmtes Portal gebucht hat. Eine einflussreiche Kundin berichtet von der erfolgreichen Kooperation mit der Plattform. In diesen Fällen wird die Marquee-Strategie verfolgt. Plattformanbieter:innen oder -Teilnehmende gewinnen dabei einzelne einflussreiche Nutzer:innen oder ganze Gruppen, die für die Plattform oder das eigene Produkt einen großen Multiplier Effekt haben. Dadurch sollen weitere Nutzer:innen angelockt werden. Diese Lockwirkung kann auch durch Preisnachlässe oder Angebote für elementare Gruppen erreicht werden. Die Strategie eignet sich vor allem für Unternehmen mit einer starken Marktposition. Ein Paradebeispiel für diese Strategie ist die Einführung einer Plattform für die digitale Zustellung von Briefen der Schweizer Post. Um Kunden anzulocken, die bei der traditionellen Postzustellung geblieben waren, verschenkte die Schweizerische Post Tausende von iPads an Haushalte in ländlichen Gemeinden, um diese zu ermutigen, von der physischen auf die elektronische Zustellung umzusteigen.

Single-Side-Strategie

Bei der Single-Side-Strategie bietet ein Unternehmen zunächst Produkte oder Dienstleistungen in einem Geschäftsmodell an, welches keine Plattform Charakteristika aufweist. In einem zweiten Schritt führt das Unternehmen eine Plattform ein, indem es eine zweite Kundengruppe anzieht, die mit der ursprünglichen Kundengruppe in einem wirtschaftlichen Verhältnis steht. Ein gelungenes Praxis Beispiel ist das Restaurantreservierungssystem OpenTable. OpenTable befand sich in einer klassischen „Henne-Ei“-Situation. Warum sollten Kunden OpenTable bei einer kleinen Auswahl an Restaurants nutzen? Und warum sollten sich die Restaurants bei wenigen Kunden die Mühe machen, OpenTable in ihre Prozesse zu implementieren? OpenTable löste das Problem, indem es zunächst eine reine Buchungsmanagement-Software an Restaurants verteilte. Sobald genügend Restaurants an Bord waren, wurde das Produkt um die Kundenseite erweitert und es wurden Gebühren für die Kundengewinnung erhoben.

Producer-Evangelism-Strategie

Die Producer Evangelism-Strategie zielt darauf ab, zuerst die Produzenten anzuziehen. So soll erreicht werden, dass die Produzenten ihre bestehenden Kunden auf die Plattform mitbringen. Dies geschieht durch die Plattform, indem den Produzenten geholfen wird, ihre Kunden besser zu bedienen. Zusätzlich profitieren die Produzenten mit der Zeit von den anderen Kunden auf der Plattform. Mit dieser Strategie wurde die Crowdfunding Plattform Kickstarter erfolgreich, auf der zahlreiche innovative Startups („Producer“) ihre Finanzierung erhalten haben.

Big-Bang-Adoption-Strategie

Kennen sie den Durchbruch von Twitter? Alles begann mit einem großen Knalleffekt bei der South by Southwest 2007. Dort gewann der Online-Dienst den Award in der Kategorie Blogs auf der größten Internetkonferenz in den USA. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte Twitter circa 20.000 Veröffentlichungen am Tag. Innerhalb eines Wochenendes konnte das Unternehmen die Zahl auf 60.000 verdreifachen. Die Twitter-Posts wurden in Echtzeit über Bildschirme auf dem Gelände der Konferenz übertragen. Twitter nutzte die Big-Bang-Adoption-Strategie. Der Start erfolgt dabei, wie der Name schon sagt, mit einem großen Knall. Innerhalb kürzester Zeit werden Interessierte von der Plattform angezogen und eine kritische Masse erreicht. Sowohl auf der Nachfrage- als auch der Angebotsseite ist das Marketing und die Akquise auf Pushfaktoren konzentriert. Dabei kann es sich lohnen, zunächst die Aktionen auf bestimmte Regionen oder Interesse zu begrenzen, die dann wiederum ausstrahlen. Wichtig ist dabei, dass alle Nutzer:innen einen sofortigen Zugriff auf die Kerninteraktion der Plattform haben. Solche Push-Strategien erfordern einen hohen Koordinationsaufwand sowie das richtige Momentum und sind schwer zu realisieren. Besonders im B2B-Umfeld sind sie nicht zu empfehlen. Vielmehr ist die Strategie für Produkte geeignet, die keiner großen Erklärung bedürfen.

Micromarkt-Strategie

Plattformen leben von ihren Nutzer:innen. In kleineren Gruppen sind die Charakteristika der Nutzer:innen homogener. Dies macht sich die Micromarkt-Strategie zu nutze. Mit dieser Strategie bedient die Plattform zunächst nur einen kleinen und oftmals sehr spezialisierten Markt. Ein solcher Markt kann durch verschiedene Parameter wie Interessen, geographische Lage oder Bekanntheitsgrad begrenzt sein. Nach und nach können dann weitere Märkte erschlossen und eine größere Community aufgebaut werden. Im Mittelpunkt steht dabei das Ziel die Bedürfnisse einer kleinen Zielgruppe bestmöglich zu erfüllen. Ein gutes Beispiel für Mikromarketing findet sich in der Immobilienbranche. Ein lokaler Immobilienmakler, der sich mit Immobilien in einer bestimmten Preisklasse einen Namen gemacht hat, hat spezielle Expertise, um die Bedürfnisse seiner Kunden bestmöglich zu bedienen. Im Rahmen von Plattformen Geschäftsmodellen hat Uber mit der Micromarkt-Strategie Erfolg gezeigt. Bevor Uber in neue Städte expandiert, werden zuerst Daten über die spezifischen Probleme des Verkehrs in den Städten ausgewertet, um die Bedürfnisse der Kunden bestmöglich erfüllen zu können.

Die acht Plattform-Aufbau-Strategien mit bekannten Praxisbeispielen:

Follow-the-Rabbit-StrategiePiggyback-StrategieSeeding-StrategieMarquee-StrategieSingle-Side-StrategieProducer-Evangelism-StrategieBig-Bang-Adoption-StrategieMicromarkt-Strategie
AmazonPaypalAndroidSchweizer PostOpenTableKickstarterTwitterUber

Welche Strategien sind besonders geeignet für kleine und mittlere Unternehmen?

Ein KMU oder regional operierendes Unternehmen mag sich fragen, wie es die vorgestellten Strategien nutzen kann. Und vor allem ob die vorgestellten Strategien überhaupt relevant für das eigene Geschäft sind, da diese hauptsächlichen von großen rein digitalen Unternehmen verfolgt werden.

Die Frage nach der Relevanz ist mit einem klaren „Ja“ zu beantworten. Im Kern gehen die vorgestellten Strategien auf eine strategische Entscheidung zur Produktausrichtung und Kundenakquise ein. Dies ist in jeder Art von Unternehmen relevant und sollte kontinuierlich auf Prüfstand gestellt werden. Die Betrachtung erfolgreicher Digitalunternehmen kann interessant sein, da der Druck des kompetitiven Umfeldes und das große Skalierungspotentials erfolgreiche Plattformgeschäftsmodelle herauskristallisiert hat. Hier lohnt es sich über den Tellerrand hinauszuschauen.

Darüber hinaus kann gerade die Kombination von einem klassischen Geschäftsmodell gepaart mit neuen digitalen Geschäftsmodellen zu einem einzigartigen Leistungsangebot führen. Der Erfolg dieser Herangehensweise ist unter anderem durch den populären St. Galler Business Modell Navigator bestätigt, welcher neue innovative Geschäftsmodelle als eine Rekombination aus bereits existierenden Geschäftsmodellen darstellt.[4]

KMUs verfügen über einzigartige Vorteile, aber auch spezielle Charakteristika, die bei der Plattform Entwicklung berücksichtigt werden sollten. Aufgrund dessen eignen sich manche der vorgestellten Strategien mehr als andere für KMUs.

  • Single-Side-Strategy: Den ersten Teil dieser Strategie erfüllen KMUs, ohne viel zu tun. Sie verfügen bereits über ein Geschäftsmodell, welches eine konkrete Kundengruppe bedient. Dadurch haben Sie gegenüber neuen Playern, die ein Plattform Geschäftsmodell etablieren wollen, einen Vorteil. Sie besitzen nämlich bereits ein Verständnis der Wünsche und Anforderungen der eigenen Kunden. Dieser Wettbewerbsvorteil sollte ausgespielt werden.
  • Follow the Rabbit: Der Vorteil dieser Strategie für KMUs ist, dass in kleinen Schritten auf ein Plattform-Geschäftsmodell hingearbeitet wird und sich das Unternehmen langsam in diese Rolle hineinfinden kann. Anfänglich mag es Überwindung kosten das eigene Angebot durch Produkte anderer Anbieter zu erweitern. Das Unternehmen sollte sich langsam öffnen und damit die Basis für eine Plattform entwickeln.
  • Micromarkt-Strategie: Ebenso wie die Follow the Rabbit Strategie kann die Micromarkt Strategie dazu genutzt werden plattformbasierte Geschäftsmodelle im Kleinen zu starten und wichtige Erfahrungen zu sammeln. Durch die Fokussierung des Plattformangebots auf eine konkrete Zielgruppe können limitierte Ressourcen von KMUs effektiv eingesetzt werden. Besonders wichtig ist die Wahl einer in sich homogenen Zielgruppe. Denn bei der Festlegung des Plattformangebots für die ausgewählte Zielgruppe gibt es eine natürliche Tendenz dazu einen faulen mittleren Kompromiss zu wählen, der versucht es allen Recht zu machen.
  • Piggyback Strategie: Der Vorteil der Piggyback Strategie ist, dass man das Rad nicht neu erfinden muss sondern als Teil einer anderen Plattform dessen Reichweite und Netzwerk nutzten kann. So können erste Erfahrungen mit Plattformen gesammelt werden und eigene Strategien geprüft werden während Aufwände geringgehalten werden. Diese Strategie setzt voraus das bereits geeignete Plattformen existieren. Bei nicht-Existenz geeigneter Plattform kann eine Plattformentwicklung mit weiteren Stakeholdern auf vertikaler oder horizontaler Ebene sowie mit Konkurrenten eine Überlegung wert sein.

Autoren: Jakob Ilg, Daniel Puhl


[1] GAFAM (Google, Amazon, Facebook (Meta Platforms), Apple und Microsoft)

FAANG (Facebook (Meta Platforms), Amazon, Apple, Netflix und Google)

BATX (Baidu, Alibaba, Tencent, and Xiaomi)

[2] Plattformbasierte und weitere Geschäftsmodelle von mittelständischen Unternehmen finden sich in interaktiven Videos auf www.aufzumdigital.de

[3] Firm Parker, Geoffrey & Van Alstyne, Marshall & Jiang, Xiaoyue. (2016). Platform Ecosystems: How Developers Invert the Firm. SSRN Electronic Journal. 41. 10.2139/ssrn.2861574.

[4] Frankenberger, K. & Gassmann, Oliver & Csik, Michaela. (2015). The Business Model Navigator.

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